Krankenhaustag fand in Halle statt
Personalsicherung im Krankenhaus zwischen Norm und Realität
Halle, 28.06.2018 – Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels und der jüngsten Pflegeoffensive der Bundesregierung diskutierten gestern Krankenhausvertreter aus Sachsen-Anhalt und ihre Gäste – Landtagsabgeordnete, Vertreter von Landesverbänden und Institutionen des Gesundheitswesens – die Herausforderungen des demografischen Wandels und seine Folgen für die Krankenhäuser. Dazu hatten sie Politiker und Fachexperten nach Halle geladen.
In seiner Begrüßung verwies der Vorsitzende der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt (KGSAN) Prof. Dr. med. Wolfgang Schütte auf den über den Bundesdurchschnitt liegenden Anteil der 50 + Bevölkerung in Sachsen-Anhalt. Auch beim Gesundheitspersonal weist die Bundesstatistik eine Zunahme des Anteils der Altersgruppe der 50- 60-jährigen aus, woraus sich zukünftig eine Verlagerung in die Altersgruppe 60+ ergibt. Umgekehrt ist der Anteil der jüngsten Altersgruppe in Sachsen-Anhalt mehr als 20 % geringer als im Bundesdurchschnitt. Parallel dazu liegt der Anteil der 60 bis 70-Jährigen in Sachsen-Anhalt um ca. 22 % über den Bundesdurchschnitt. Auch hier lässt sich in den letzten vier Jahren ein Anstieg beobachten.
Die Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt Petra Grimm-Benne charakterisierte Sachsen-Anhalt als eines der Länder mit einer europaweit am schnellsten schrumpfenden und alternden Bevölkerung. Laut Prognose des Sozialministeriums wird es bis zum Jahr 2030 einen Anstieg der stationären Behandlungsfälle vor allem in der Inneren Medizin und Neurologie geben. Die Landesregierung hat mit einer Novellierung des Landeskrankenhausgesetzes auf die wachsenden Herausforderungen reagiert. Ziel ist es, die Versorgungsstruktur zu optimieren und eine bessere Vernetzung stationärer, ambulanter, rehabilitativer und Angebote weiterer Leistungserbringer zu ermöglichen. Nach Aussage von Grimm-Benne wird das neue Landeskrankenhausgesetz noch in diesem Jahr vom Landtag verabschiedet.
Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft Dr. Gerald Gaß brachte aus Berlin den gerade von der Bundesregierung vorgelegten Referentenentwurf eines Sofortprogrammes für die Krankenpflege mit und resümierte: „Die Probleme der Krankenhäuser wurden verstanden.“
Gaß und Schütte kritisierten aber auch die zunehmende Misstrauenskultur, die demotivierend auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirke. „Traut man unseren Pflegekräften nicht zu, dass sie ihre Arbeit mit guter Qualität leisten oder warum müssen wir jeden Handschlag belegen?“, fragte Gaß. „Der ausufernde Kontrollwahn“, so Schütte, „erschwert die Arbeit im Krankenhaus zunehmend. Schon jetzt sind Pflegefachkräfte zwei bis drei Stunden am Tag mit der Pflegedokumentation befasst. Das ist Zeit, die für den Patienten, die eigentliche Tätigkeit am Krankenbett, fehlt.“
Dr. Patrick Jahn, Pflegewissenschaftler und –forscher an der Universität Halle sprach über die Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung in der Krankenpflege. Den demografischen Wandel bezeichnete er als die treibende Kraft für die Digitalisierung. Weltweit gearbeitet wird z. B. an technologiebasierten Pflegeassistenztechniken wie Mobilisierungshilfen, die der Wiederherstellung der Selbständigkeit des Patienten dienen und an intelligenten Transportsystemen, die Wege sparen helfen und so das Personal entlasten sollen. Als besonderen Gast hatte Jahn Roboterdame „Thea“ mitgebracht, die im Lernzentrum „Dorothea Erxleben“ des Uniklinikums Halle zuhause ist. Der interagierende Roboter ist Bestandteil eines gemeinsamen Projektes von Pflegewissenschaftlern, Wirtschaftsinformatikern und Mediziner der Universität Halle, das die Einsatzmöglichkeiten eines solchen Roboters untersuchen soll.
v.l.: Prof. Dr. med. W. Schütte, Dr. P. Jahn, Ministerin P. Grimm-Benne, Dr. G. Gaß, Dr. G. Heelemann
Abgeordnete des Landtages Sachsen-Anhalt: 1. Reihe v. r.: Swen Knöchel (DIE LINKE), Dr. Verena Späthe (SPD), Tobias Krull (CDU), Bernhard Bönisch (CDU), 2. Reihe r.: Alexander Raue (AfD)
Roboterdame "Thea"