Kliniken in Sachsen-Anhalt warnen vor Versorgungsengpässen und fordern die Politik zum Handeln auf
Alarmstufe ROT: Wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser
Halle, 07.09.2022 – Angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Lage fordern die Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt Bundes- und Landesregierung dazu auf, umgehend zu handeln und einen Inflationsausgleich einzuführen. Bundesweit schreiben in diesem Jahr 60 Prozent der Krankenhäuser rote Zahlen, ein Fünftel rechnet sogar damit, keine Kredite mehr zu erhalten. Im kommenden Jahr droht die Lage noch weiter zu eskalieren mit dann bis zu 80 Prozent Kliniken in der Verlustzone. Das hat jüngst eine RWI-Studie zur wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser ergeben. Die Lage ist auch in Sachsen-Anhalt sehr angespannt. „Wir benötigen jetzt so schnell wie möglich einen Inflationsausgleich und das Wiederanlaufen der Corona-Hilfen. Die Krankenhäuser dürfen mit den gestiegenen Kosten nicht mehr allein gelassen werden. Die meisten Häuser sind gezwungen, mehr auszugeben als sie einnehmen. Das Letzte, was wir jetzt vor Corona-Herbst und -Winter benötigen, sind weitere wirtschaftlich bedingte Abteilungs- und Krankenhausschließungen. Wenn Karl Lauterbach als verantwortlicher Bundesminister nicht handelt, übernimmt er durch seine Untätigkeit die Verantwortung für Krankenhausschließungen, Wartelisten und überfüllte Notaufnahmen auch in unserem Bundesland“, sagt Prof. Dr. med. Wolfgang Schütte, Vorsitzender der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt. „Wir erwarten, dass auch Frau Ministerin Grimm-Benne im Interesse der Patientinnen und Patienten hier bei uns in Sachsen-Anhalt gegenüber dem Bundesminister diese Verantwortung zum Handeln einfordert.“
Krankenhäuser macht die Teuerung besonders zu schaffen, da sie die Mehrkosten nicht weitergeben können, wie es ansonsten in der Wirtschaft üblich ist. Der Hintergrund: Die Vergütungen der Krankenkassen, die den Betrieb der Krankenhäuser finanzieren, sind vom Gesetzgeber so streng limitiert, dass sie für die Krankenhäuser keine Möglichkeit bieten, die tatsächlichen Preissteigerungen voll zu refinanzieren. In der Konsequenz bleibt den Kliniken nur die Möglichkeit, sich auftürmende Verluste durch Personalabbau zu begrenzen. Damit gehen dann in der Regel auch Bettensperrungen und schlimmstenfalls sogar Standortschließungen einher. Die Lücken in der Versorgung werden im Herbst und im kommenden Jahr für die Menschen auch in Sachsen-Anhalt spürbar werden.
KGSAN-Geschäftsführer Dr. Gösta Heelemann spricht mit Blick auf die aktuelle und für Herbst prognostizierte Corona-Lage von düsteren Aussichten. „Ende Juni sind alle Corona-Hilfen des Bundes für die Krankenhäuser ausgelaufen. Es gibt derzeit keinen einzigen Euro, um den Mehraufwand für Hygiene, Isolierung und Behandlung zu refinanzieren. Der Bundesminister talkt in allen Medien über die verheerenden Auswirkungen von Corona und lässt gleichzeitig die Krankenhäuser im Regen stehen. Auch hier wird er seiner Verantwortung für eine stabile Gesundheitsversorgung nicht gerecht“. Mehr als zwei Jahre Pandemie haben die Krankenhäuser bereits wirtschaftlich und personell extrem herausgefordert. Im Herbst und Winter steht eine noch nicht absehbare weitere Infektionswelle bevor, die die Krankenhäuser wieder verstärkt fordern wird. Zu all diesen Herausforderungen kommt nun noch die Inflation hinzu, verschärft durch noch einmal besonders stark gestiegene Energiepreise, die die sehr energieintensiven Krankenhäuser besonders treffen. „Wir müssen feststellen, dass der Bundesgesundheitsminister seit seinem Amtsantritt mit seiner Politik die berechtigten Anliegen der Krankenhäuser, ihrer Beschäftigten und letztendlich auch der Patienten ignoriert. Die Folgen dieser Politik werden über kurz oder lang für uns alle spürbar werden“, so Heelemann.
Die Preissteigerungen bei Gas und Energie, mit denen die sachsen-anhaltischen Krankenhäuser bereits heute konfrontiert sind, liegen zwischen 30 und 200 %. Das hat jüngst eine Umfrage der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt ergeben. Ein Krankenhaus in Sachsen-Anhalt mit etwa 500 Betten wird nach aktuellen Berechnungen im Jahr 2023 über 3 Millionen Euro mehr für Gas und Strom bezahlen als im Jahr 2022. Allein das macht hochgerechnet auf alle Kliniken in Sachsen-Anhalt einen Fehlbetrag von rund 100 Millionen Euro – Mehrausgaben in Millionenhöhe, die nicht gedeckt sind. Die Umfrageergebnisse decken sich mit denen der bundesweiten Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstitutes vom August 2022 (s. Anlage).
Für das Carl-von-Basedow-Klinikum Saalekreis, eines der größten Arbeitgeber im südlichen Sachsen-Anhalt, stellt sich die aktuelle Preissituation wie folgt dar: „Die zusätzliche Kostenbelastung durch die bereits eingetretenen und die für die kommenden Wochen und Monate zu erwartenden Preissteigerungen beträgt allein für das Jahr 2022 rund 600.000 Euro“, erklärt Klinikgeschäftsführer Lutz Heimann. „Das entspricht einem Anstieg im Bereich der Sachkosten von rund 10 Prozent. Demgegenüber stieg der Landesbasisfallwert, der die Höhe unserer Erlöse maßgeblich mitbestimmt, nur um 2,31 Prozent. Die Zahlen verdeutlichen, wie dringend wir auf ein gesetzliches Sofortmaßnahmenpaket, in dessen Zentrum ein Inflationsausgleich für alle Krankenhäuser stehen muss, angewiesen sind“, so Heimann.
Zwischen dem 5. und 29. September 2022 treten Deutsche Krankenhausgesellschaft und die 16 Landeskrankenhausgesellschaften gemeinsam an die Öffentlichkeit, um auf die prekäre wirtschaftliche Lage vieler Krankenhäuser vor dem Hintergrund von Inflation und Pandemie aufmerksam zu machen. Die Krankenhäuser fordern dabei vor allem einen Inflationsausgleich, um kurzfristig wirtschaftlich handlungsfähig zu bleiben. Die Aktion findet in unterschiedlicher Form in allen Bundesländern statt.